Der Dresdner SED-Bezirksparteichef Hans Modrow reist im September 1989 nach Stuttgart. Auf Einladung der Landes-SPD diskutiert er im Landtag mit den Mächtigen aus Stuttgart über die Situation in der DDR. In seiner Heimat gilt Hans Modrow als Reformer.

Einen “Beitrag zur Entspannungspolitik” wollte die Landes-SPD um Landesfraktionsvorsitzenden Dieter Spöri und Landesvorsitzenden Ulrich Maurer leisten. Deshalb hatte sie Hans Modrow nach Stuttgart eingeladen: Der SED-Bezirksparteichef aus Dresden gilt in der DDR als Reformer – was ihn Schwierigkeiten mit der Partei eingebracht hat. “Bereitet sich da einer trotz alledem auf die Zeit nach Erich Honecker vor?” (Stuttgarter Zeitung vom 26. September 1989), fragen sich Journalisten vor seiner Reise.

Dieter Spöri, Hans Modrow und Ulrich Maurer (v. l.) vor der Presse im Landtag. Foto: Horst Rudel

Doppelte Herausforderung

Als Hans Modrow am 25. September in Stuttgart ankommt, steht er vor einer doppelten Herausforderung. Er muss die Unzufriedenheit der DDR-Bürger erklären, allerdings darf er nicht Erich Honecker kritisieren. Einig zeigen sich SPD und Hans Modrow über die Anerkennung der polnischen Westgrenze und die Abrüstung in Europa. Ulrich Maurer muss den Gast aber beruhigen, dass “kein vernünftiger Mensch an einer Destabilisierung der DDR interessiert sein könne” (Stuttgarter Zeitung vom 29. September 1989).

Wie sich Hans Modrow um Reformen bemühte, zeigt dieses Video:

Mit Hans Modrow reist eine größere Delegation nach Stuttgart. Der Chef des Technologie-Kombinats Robotron und der Rektor der TU Dresden sind beispielsweise dabei. In Stuttgart spricht die bunte Delegation mit der SPD-Fraktion im Landtag aber auch mit den Unions-Politikern OB Manfred Rommel und Ministerpräsident Lothar Späth. “Es hat sich gelohnt, das Gespräch zu führen” (Stuttgarter Zeitung vom 29. September 1989), betont Hans Modrow beim Abschied. Den Dialog möchte er fortführen.

Ungewisse Zukunft

Die Stuttgarter Zeitung hält das Treffen für ein wichtiges Signal an Bonn, den Dialog mit DDR-Politikern nicht abreißen zu lassen. Alle Beteiligten hätten sich dabei glaubwürdig präsentiert – auch der SED-Politiker: “Welche politische Zukunft Hans Modrow in der DDR hat, weiß er selbst nicht.” (Stuttgarter Zeitung vom 29. September 1989) Nach dem Mauerfall wählt ihn die Volkskammer dann zum vorletzten Ministerpräsidenten der DDR. Seine Aufgabe: das politische System des Sozialismus zu erneuern.

Quellen: Stuttgarter Zeitung vom 26., 29. und 30. September 1989.

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Beitragsbild: Veitmueller, CC BY-SA 2.0 DE